Der Samtgemeindeverband B`90 / Die GRÜNEN Dransfeld veranstalteten am Sonntag, den 27.09. bei angenehmem herbstlichen Wetter einen Spaziergang am Hohen Hagen. Ca. 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer umrundeten das Gelände, das durch Kreistagsbeschluss aus dem Landschaftsschutzgebiet (LSG) herausgelöst worden ist. An acht Stationen gab es Informationen und immer wieder die Möglichkeit, Fragen zu stellen zu verschiedenen Aspekten der problematischen Planung eines Seilrutschenparks. Etliche Fachleute von verschiedenen Verbänden und Einrichtungen, sowie der Projektierer Christoph Brand von der Schattenspringer GmbH aus Bielefeld waren anwesend, um den interessierten Teilnehmer*innen mit ihren Statements, Meinungen, Befürchtungen, aber auch Zielsetzungen und Planungen zu vermitteln.
Nachdem im Sommer der Kreistag mehrheitlich – aber ohne die Stimmen der GRÜNEN Fraktion – die Herausnahme von 22ha beschlossen hat beabsichtigen Samtgemeinde und Stadt Dransfeld zügig die Aufstellung eines Flächennutzungsplans (F-Plan) und eines Bebauungsplans (B-Plan) sowie die Abfassung eines städtebaulichen Vertrages zwischen der Stadt Dransfeld und der Schattenspringer GmbH. Der Versuch der Dransfelder Verwaltung, das Genehmigungsverfahren zügig durchzuziehen, ist nicht unumstritten. Vielen Menschen in der Samtgemeinde dämmert es erst jetzt, dass aus der früheren Absicht, einen Hochseilgarten oder einen Kletterwald am Hohen Hagen anzulegen, inzwischen die Idee eines Seilrutschenparks geworden ist, der nicht nur für die Region, sondern – so der Projektierer – eine deutschlandweite Ausstrahlung erreichen soll. Den Kern des geplanten Freizeitparks bilden ca. 20 Seilrutschen, die von alle Seiten den alten renaturierten Steinbruch mit seinem besonderen Geologiepfad überspannen. Hinzu kommen eine 750m lange Fly-Line, Wallrunning am Gaußturm und eine Freefall Anlage. Damit – so Christoph Brand – wäre das dann eine europaweit einmalige Attraktion.
Wir GRÜNE unterstützen durchaus eine soziale, ökologische und umweltverträgliche Entwicklung des Tourismus auf dem Hohen Hagen. Ein Vergnügungspark dieses Ausmaßes in einem ökologisch sensiblen Gebiet widerspricht aber jeder Idee eines sanften Tourismus und steht in direkten Widerspruch zum aktuell gültigen Regionalen Raumordnungsprogramm (RROP), das für den Hohen Hagen „ruhige Erholung“ vorschreibt. Unser durch die GRÜNE Kreistagsfraktion eingebrachter Alternativvorschlag, nämlich eine wesentlich kleinere Fläche auszuweisen, wurde im Kreistag abgelehnt. Es kommt jetzt darauf an, über die Festsetzungen im F- und B-Plan das Ganze in möglichst akzeptable Bahnen zu lenken.
Ob die vorhandene Infrastruktur den erwarteten 45000 Besucherinnen pro Saison (entspricht bei ca. 185 Öffnungstagen im Durchschnitt 250 Besucher*innen pro Tag) gewachsen sein wird, darf bezweifelt werden. Es gibt nur zwei Zufahrtsstraßen und eine viel zu kleine Parkplatzfläche am Turm. Neben Fällarbeiten für die verschiedenen Türme ist also mit weiteren, erheblichen und auch kostspieligen Eingriffen in die Natur zu rechnen.
Von den Planungen könnte das Schullandheim und Bildungsstätte Haus-Hoher-Hagen ganz besonders betroffen sein. Direkt entlang an der Abbruchkante des ehemaligen Steinbruchs soll eine Fly-Line verlaufen. Sie befände sich dann in unmittelbarer Nähe der ganzjährig stark genutzten Bildungseinrichtung, so Kilian Erdmann vom Verein Haus-Hoher-Hagen. Sowohl in der Woche als auch am Wochenende arbeiten hier Schulklassen und Gruppen, um Projekte umzusetzen aber auch um die Abgeschiedenheit zu genießen und auszuspannen. Das Alleinstellungsmerkmal wie K. Erdmann es nannte, eines ruhigen abgeschiedenen Arbeits- und Erholungshauses würde durch die direkt am Grundstück entlangziehende Fly-Line mit ihren Laufgeräuschen sowie durch das zu erwartende „Kreischen“ der Besucher*innen gefährdet. Dass mit solchen Beeinträchtigungen zu rechnen sei, wurde vom Projektierer unumwunden bestätigt.
Der Naturschutzbeauftragte des Deutschen Alpenvereins (DAV) Sektion Göttingen, Karl-Heinz Hesse wies darauf hin, dass die Sektion mit mehr als 4000 Mitgliedern viele Wandergruppen organisiert und betreut. Ehrenamtliche engagieren sich seit Jahren zusammen mit dem Naturpark Münden z.B. bei Pflegemaßnahmen und dem Bau von Sitzbänken auf dem Hohen Hagen. Er befürchtet, dass im Zuge der Baumaßnahmen Wanderwege verlegt werden müssen und viele Wanderer aufgrund von Lärmbelastungen und der baulichen Beeinträchtigungen zukünftig das Gebiet meiden werden. Verschiedene überregionale Wanderwege wie der E6, der Pilgerweg Volkenroda – Loccum, der Studentenweg Göttingen – Hann. Münden führen über den Hohen Hagen.
Christoph Brand von der Schattenspringer GmbH machte in seinem Statement deutlich, dass er einen Vergnügungspark plane und daher auch kein pädagogisches Konzept habe. Dem ursprünglich an ihn herangetragenen Wunsch, (nach Möglichkeit) einen Hochseil- oder Klettergarten zu errichten, erteilte er eine klare Absage. Für ihn gäbe es im Umkreis von einer Stunde Fahrtzeit bereits zu viele Kletterparks. Damit sei inzwischen kein Geld mehr zu verdienen. Ihm gefalle der Gaußturm sowie der interessante Steinbruch. Der Vergnügungspark solle in 2 bis 3 Phasen errichtet werden. Zentrale Anlage werde die Fly-Line sein. Hinzu kämen die Attraktionen am Turm und bis zu 20 Seilrutschen. Die Gastronomie werde er nicht selbst betreiben. Übernehmen wolle er die Parkplatz Erweiterung. In der 1. Phase rechne er mit einem Investitionsvolumen zwischen 500.000 und 1 Million Euro. Christoph Brand betonte wiederholt, dass die vorgelegten Planungen noch vorläufig seien. In eine konkrete Planung könne erst eingestiegen werden, wenn der Gestaltungsrahmen festläge.
Der Vorsitzende der Realgemeinde erklärte die etwas komplizierte, auf den ersten Blick unübersichtliche Gemengelage hinsichtlich der Eigentums- und Nutzungsrechte bezüglich des Planungsgebietes am Hohen Hagen. Das Ganze sei historisch gewachsen, wobei die Stadt Dransfeld Eigentümer von Grund und Boden sei, sich aber die Nutzungsrechte mit der Realgemeinde teilen müsse. Es sei also geboten, dass sich der Vorhabenträger nicht nur mit der Stadt Dransfeld sondern natürlich auch mit der Realgemeinde zusammensetzen und verhandeln müsse. Diesbezügliche Kontakte habe es bisher noch nicht gegeben. Die Realgemeinde sei bereit für offene, konstruktive Gespräche mit dem Investor und man erwarte jetzt die notwendigen Schritte seitens der Schattenspringer GmbH.
Vertreter der Realgemeinde, des Stadtrates und der Leiter des betreuenden Forstamtes der niedersächsischen Landesforsten bilden den Forstrat. Als stellvertretender Vorstandsvorsitzender dieses Gremiums trug Herr Sebesse seine zum Teil persönlichen Einschätzungen und Kritikpunkte zum Seilrutschenpark vor, wobei er insbesondere auf die Natur- und Umwelt beeinträchtigenden Aspekte des Vorhabens einging.
Der Naturschutzbund (NABU) Dransfeld bezog deutlich Stellung: Mit der ruhigen Erholung am Hohen Hagen ist es bei pro Jahr 45.000 angestrebten Besuchern vorbei. Für seltene und störungsempfindliche Arten wie Wildkatze, Grauspecht und Waldschnepfe würde der Gaußturmkessel als Lebensraum unbrauchbar. Gerade einmal 0,4 Hektar Ersatzhabitat für den Grauspecht sind als Ausgleich für einen Lebensraumverlust von 14 Hektar durch den Funpark vorgesehen. Der Rest der vertriebenen Arten geht leer aus. Angesichts der unübersehbaren Waldschäden durch die Trockenheit der vergangenen Jahre ist die Erhaltung des Lebens-, Erholungs- und Wirtschaftraumes Wald unverzichtbar. Absolut nicht zeitgemäß ist dagegen ein Massentourismus-Konzept mit ungewissem wirtschaftlichen Ausgang. Wir alle – allen voran der Rat von Stadt und Samtgemeinde Dransfeld – müssen uns fragen: Ist der kurzlebige Adrenalinkick beim Vollkaskoabenteuer Seilrutsche den Verkauf des wertgebenden Charakters am Hohen Hagen, nämlich der ruhigen Erholung in einer besonders schönen Natur, wirklich wert?
Ebenfalls kritisch äußerte sich der BUND Göttingen: Grundsätzlich zu kritisieren sei die Herausnahme einer derart großen Fläche aus dem LSG, ohne vorher festzulegen, was mit dieser Fläche geschehen soll. Der geplante Vergnügungspark widerspreche in Gänze den Forderungen des derzeit gültigen RROP nach „ruhiger Erholung“ auf dem Hohen Hagen. Das in unmittelbarer Nähe befindliche FFH Gebiet werde durch die Menschenmassen und den erhöhten Geräuschpegel direkt beeinträchtigt. Dieser Punkt sei z. B. in dem Gutachten zum Antrag der Stadt Dransfeld auf Herausnahme aus dem LSG in keiner Weise berücksichtigt worden. Besonders die Störung des europarechtlich geschützten Grauspechtes werde mit dem Vorschlag einer sehr kleinen Kompensationsfläche in unmittelbarer Nähe aus artenschutzrechtlicher Einschätzung nicht gerecht. Besonders herausgestellt wurde von ihm die ungenügende Infrastruktur. Bei der beabsichtigten Größe der Fun-Anlage würde es zu erheblichen Flächenversiegelungen für Anfahrtswege und Parkplätze kommen. Da der Hohe Hagen lokal und regional mit dem ÖPNV nicht erreichbar ist, würde man mit der Lage dieses Projekts die Belastungen durch den Individualverkehr verschärfen, was in Zeiten des Klimawandels kontraproduktiv wäre.
Der Geologe Dr. Steinmetz, Hann. Münden, erläuterte u.a. die Besonderheiten der geologischen Strukturen, die am Hohen Hagen vorliegen und welche Probleme sich daraus für die stabile Verankerung und die Statik von Bauwerken ergeben könnten, die starken Belastungen ausgesetzt sind, wie es bei den Türmen für die geplanten Seilrutschen unzweifelhaft der Fall sei. Der Hohe Hagen sei zwar vulkanischen Ursprungs, stelle sich aber als langgestreckte Formation und nicht als klassischer Vulkankegel dar. Es handele sich nicht um solides, kompaktes Gestein. Vielmehr bestehe der Untergrund aus stark zerklüftetem von Sanden durchsetztem Basalt. Verankerungen in solchen Bodenstrukturen seien sehr schwierig und würden einen großen Aufwand erfordern. Weiterhin sei auch zu berücksichtigen, dass es sich an zahlreichen Stellen um instabile Aufschüttungen und Ablagerungen handele, die wenig Halt bieten würden. Der frühere Förster in diesem Gebiet, Manfred Budde, begleitete damals die Aufschüttungen aus dem Abraum vom Bau der ICE Strecke sowie des Baus der Uni Bibliothek Göttingen. In den ersten Jahren nach Beendigung der Aufschüttungen sei es immer wieder zu Erdrutschen an der Westseite des Kraters gekommen. Alle diese geschütteten Flächen seien nach wie vor in Bewegung. Trotzdem sei aus dem Bruchgelände im Gefolge der Anpflanzungen und Renaturierungsmaßnahmen, insbesondere aber durch die Natur selber im Rahmen einer natürlichen Sukzession ein schützenswerter Biotop entstanden, wobei dieser Prozess selbstverständlich weiterlaufe und zu weiteren Änderungen von Flora und Fauna führen werde.
Am letzten Haltepunkt des Rundganges, dem Startpunkt der Rodelbahn unterhalb des Gaußturms bestand noch einmal die Möglichkeit, Fragen an die Fachleute zu stellen, aber auch an den Projektierer.
Unser Fazit an diesem Nachmittag: Seit vielen Jahren wird bereits versucht, den Hohen Hagen attraktiver zu gestalten. Es wurden Konzepte in Magister- und Diplomarbeiten entwickelt. Vorschläge wie die Errichtung von Wald- und Abenteuerspielplätzen, Anlegen eines Biergartens etc. kamen von vielen Seiten. Umgesetzt wurde nur der sehr interessante Geologiepfad. Seit vielen Jahren gibt es keine Gastronomie mehr im Gaußturm. Besser klappte es mit der Ausweisung der oben genannten Wanderwege durch den Naturpark Münden. Die Idee, angepasste Kletter- oder Seilparks zu erstellen oder gar Seilrutschen zu installieren wurde von verschiedenen Projektierern versucht und immer wieder aufgegeben. Zu hoch waren die Anforderungen an die Stadt Dransfeld, in Vorleistung zu gehen, z.B. Gutachten zu finanzieren, die nötige Infrastruktur zu finanzieren, wie Parkplätze schaffen, Sanitäranlagen zu bauen, Gastronomie sicher zu stellen. Dies kann eine Gemeinde, die sich in der Entschuldung befindet, nicht leisten. Als GRÜNE Dransfeld haben wir schon lange gefordert, ein Gesamtkonzept für den Hohen Hagen zu erstellen: Die Festlegung was hier oben geschehen kann, was vielleicht die Bevölkerung will, wie stark die Eingriffe sein dürfen, um noch ökologische und umweltschützende Maßstäbe einzuhalten. Es fehlt überhaupt eine Zielsetzung, die die vorhandene Infrastruktur berücksichtigt und die Größe und Lage der zu nutzenden Fläche festlegt.
Wir mussten jedoch registrieren: Die Verwaltung und die Mehrheitsparteien gehen den umgekehrten Weg: Mit jedem Projektierer wuchs die Forderung nach größeren Flächen. Dies führt zu einer Beliebigkeit, die unseres Erachtens unverantwortlich ist gegenüber der Natur, den Menschen aber auch unseren finanziellen Ressourcen. Der Projektierer fordert – und von Gemeindeseite wird planlos versucht, es dem jeweiligen Projektierer Recht zu machen. Mit der Herausnahme einer derart großen Fläche aus dem LSG wird eine Tür geöffnet, ohne vorher festgelegt zu haben wie groß sie ist und wie weit sie geöffnet werden soll. Auch wir GRÜNE können uns eine touristische Aufwertung des Gebietes am Hohen Hagen vorstellen – allerdings im Rahmen eines sanften, umweltverträglichen, nachhaltigen Gesamtkonzeptes. Einer Herausnahme aber von insgesamt 22ha aus dem LSG konnten und können wir nicht zustimmen. Im Kreistag hat die GRÜNE Fraktion diesem Antrag der Stadt Dransfeld daher ihre Stimmen verweigert.
Für uns war es an diesem Sonntagnachmittag wichtig, mit Fachleuten, aber auch mit vielen Einwohner*innen aus der Samtgemeinde diesen Rundweg zu machen, um unterschiedliche Wünsche, Sichtweisen, Argumente, Fragen, Befürchtungen aber auch Vorschläge kennen zu lernen. Es geht jetzt darum, eine breite Diskussion zu führen, um Einfluss zu nehmen auf die Gestaltung von F- und B-Plan. Denn an diesen Stellen wird geregelt, was zukünftig auf dem Hohen Hagen machbar ist – und eben auch was nicht.