Diese Worte stammen tatsächlich von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und sind Teil eines längeren Redeabschnitts: „Erneuerbare Energien leisten nämlich nicht nur einen Beitrag zur Energiesicherheit und -versorgung. Erneuerbare Energien lösen uns von Abhängigkeiten. Erneuerbare Energien sind deshalb Freiheitsenergien. Wir setzen auf Freiheitsenergien.“ [1]
Ähnlich formuliert es auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Habeck sagte der Nachrichtenagentur Reuters, dringender denn je müsse Deutschland in die Energiesouveränität des Landes investieren. [2]
Die Abhängigkeit von fossilen Energien macht unsere Volkswirtschaft verletzbar
Die Gefahren, die aus der Abhängigkeit von fossilen Energien bestehen, thematisierte bereits vor fünf (!) Jahren Prof. Dr. Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sowie Professorin an der Leuphana Universität Lüneburg: „Je konzentrierter in der Welt begehrte Energieressourcen sind, je abhängiger somit importierende von wenigen exportierenden Ländern sind, desto mehr sind außenpolitische Entscheidungen mit Sicherheitsaspekten verknüpft.“ [3]
Derzeit ist Deutschland sehr stark abhängig von fossilen Energien, was unsere Volkswirtschaft sehr verletzbar macht, wie wir gerade (und nicht nur) an den Benzinpreisen erleben. Wie konkret diese Abhängigkeit unsere Volkswirtschaft betreffen kann, sehen wir daran, dass der schon vorher starke Preisanstieg für fossile Energien durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine noch stärker beschleunigt wurde. Bisher bezahlt Deutschland über 70 Milliarden Euro pro Jahr allein für fossile Energien. Geld, von welchem im Moment ein großer Anteil in Putins Kriegskasse fließt. Wenn wir aus dieser Situation eine Herausforderung machen, kann Deutschland das erste Industrieland sein, das praktisch ohne fossile Energieträger auskommt. [4]
Atomkraftwerke sind viel zu teuer (und lösen die Abhängigkeit nicht)
An einer Laufzeitverlängerung haben die Betreiber und Energiekonzerne kein Interesse, denn sie würde bedeuten, dass in die Instandhaltung und Modernisierung der Kraftwerke investiert werden muss. Die erforderlichen Investitionen stehen dabei in keinem Verhältnis zu den Erlösen, die sich mit dem Verkauf des Stroms erzielen lassen, denn die Stromerzeugung in Atomkraftwerken ist im Vergleich zur Erzeugung aus anderen Energieträgern wie Gas, PV oder Wind viel zu teuer. [5] [6] Darüber hinaus lösen wir mit Atomkraft nicht unsere Anhängigkeit, denn 26 % des in der EU benötigten angereicherten Urans kommt aus Russland. Für die sogenannten WWER-Reaktoren, einer bestimmten Art von Druckwasserreaktor [7], ist Russland sogar der einzige Lieferant für die EU. [8]
Welche Gefahr sich hinter modernen Thorium-Reaktoren verbirgt
Häufig wird im Zusammenhang mit der Forderung nach dem Bau neuer Atomkraftwerke von „modernen“ Thorium-Reaktoren als Zukunft der Atomkraft gesprochen. Leider mehren sich auch hier die Erkenntnisse, dass laut „neueren Forschungsergebnissen und entgegen früheren Annahmen sollten sich Thorium-Reaktoren sogar sehr gut zur Produktion von Waffenmaterial eignen. Einige Expert*innen haben deshalb schon vor ihrer Entwicklung gewarnt.“ Es ist daher unklar, wie es um die weitere Entwicklung von Thorium-Reaktoren bestellt ist. Klar ist: Die Entwicklung entsprechender Reaktortypen wird noch sehr viel Geld kosten.“ [9]
Atomenergie ist keine Friedenstechnologie
Aber auch und gerade die Atomenergie ist keine Friedenstechnologie, wie wir aktuell eindrücklich erleben, denn man muss keine Atombomben bauen, um eine atomare Bedrohung zu schaffen. Was auf der Internetseite 100 gute Gründe gegen Atomkraft noch „spielerisch“ beschrieben wird – „Im Simulator gelingt es selbst Hobbypilot*innen, ein Flugzeug in ein AKW zu steuern.“ [10] wird schnell zur realen Bedrohung, wenn Putins Angriffsarmee europäische Atomkraftwerke unter Beschuss nimmt. Dass es sich bei dem beschossenen Atomkraftwerk in der Ukraine um ein Kraftwerk mit sechs (!) Reaktorblöcken handelt (Tschernobyl hat(te) nur einen), macht die Angelegenheit nicht unbedingt besser.
Die Klimakrise gefährdet unseren Wohlstand
Transformationsforscherin und Politökonomin Prof. Dr. Maja Göpel schreibt dazu: „Es geht aber nicht nur darum, CO2 zu reduzieren. Ohne Klimaschutz wird es uns in Zukunft nicht gelingen, unseren Wohlstand zu wahren oder auszubauen. Es geht darum, den Finanzmarkt Deutschland und unsere Arbeitsplätze zu schützen. Die Klimakrise gefährdet unseren Wohlstand und unsere Arbeitsplätze. Dass das so ist, können wir zum Beispiel daran sehen, dass „Larry Fink, der CEO des weltgrößten Vermögensverwalters BlackRock, vor zwei Jahren die Transparenz über Klimarisiken in den Geschäftsmodellen eingefordert hat, da sie ein Investitionsrisiko seien.“ [11]
Der Ukraine-Krieg führt uns dabei vor Augen, dass es nicht nur um Abkehr von fossilen Brennstoffen und eine CO2-Reduzierung geht, es geht ebenso um unsere Unabhängigkeit und damit verbunden um unsere Sicherheit in Europa.
Die Abkehr von fossilen Brennstoffen ist technologisch möglich, spart Geld und schafft Arbeitsplätze
Eine Studie des Wuppertal Institut zeigt, dass eine vollständige Abkehr von fossilen Brennstoffen bereits in 13 Jahren möglich wäre. Und das Beste daran ist, wir würden dabei sogar noch Kosten sparen – jährlich 11,5 Milliarden Euro. Darüber hinaus würde dies auch erfreuliche volkswirtschaftliche Effekte mit sich bringen, da für die Umsetzung ca. eine halbe Million Fachkräfte benötigt werden. [12] Dabei ist gleichzeitig Strom aus Wind oder PV genauso teuer oder billig wie Strom aus anderen Quellen, vielleicht mit Ausnahme von Kernenergie, denn die ist deutlich teurer. [13] [14]
Den volatilen Strom aus Sonne und Wind zu speichern und das Stromnetz stabil zu halten, dafür gibt es inzwischen vielfältige Möglichkeiten: Große Batteriespeicher, z. B. aus ausgedienten Batterien aus Elektroautos (Second-Life Batteriespeichern), den Zusammenschluss vieler kleinerer Batteriespeicher als Teil eines virtuellen Kraftwerks (mit Photovoltaik, Biogas, Windkraft), Vehicle-2-Grid (V2G, Einbinden von Batterien von Elektrofahrzeugen in das Stromnetz, um diese bei Bedarf laden oder entladen zu können). [15]
Windkraft, Wasserstoff und e-Fuels
Windkraft und Wasserstoff sind wichtige Bausteine der Energiewende in ihrem jeweiligen Bereich, auch e-Fuels werden einen Beitrag leisten können. Ein kleiner Vergleich, um die Einsatzgebiete zu erläutern:
Wenn wir den Strom, den ein Windrad erzeugt, direkt in ein Auto laden, können wir damit eine bestimmte Strecke fahren. Wenn wir dieselbe Menge Strom verwenden, um mit dieser Energie Wasserstoff herzustellen und dann damit ein Auto mit Brennstoffzelle antreiben wollen, kommen wir nur noch halb so weit. Stellen wir e-Fuels (künstlich hergestellte Kraftstoffe) her, kommen wir nur noch ein Siebtel der Strecke. Wer also behauptet, Wasserstoff und e-Fuel wären die Zukunft, ignoriert die Physik (und die Kosten, die sicher niemand zahlen möchte). Wasserstoff und e-Fuels könnten für Mittel- und Langstreckenflügen, in der Schifffahrt oder bei Wasserstoff in der Düngemittel- oder Stahlproduktion sinnvolle Alternativen bieten. [16] Darüber hinaus eignet sich Wasserstoff auch als Langfrist-Stromspeicher [17] [18], indem Strom aus Wind oder PV zur Umwandlung eingesetzt wird, wenn dieser z. B. an sonnigen und windigen Tagen anders nicht eingesetzt werden könnte.
Wasserstoff aus z. B. afrikanischen Ländern zu importieren, da dort Strom aus PV vermeintlich effizienter erzeugt werden könne oder gar Wasserstoff zukünftig aus Russland (!!!) zu importieren, da an dessen Küsten mehr Wind wehe, ist mit Verweis auf die wissenschaftliche Studie des Reiner Lemoine Institut [19] weder aus volkswirtschaftlicher noch aus geopolitischer Sicht sinnvoll: es ist schlicht zu teuer, ineffizient und schafft neue Abhängigkeiten. Das Reiner Lemoine Instituts empfiehlt hingegen Wasserstoff lokal aus Überschüssen von Photovoltaik- und Windkraftwerken zu erzeugen. Dieser „grüne Wasserstoff“ spart zum einen Netzausbaukosten und macht zum anderen das Energiesystem insgesamt stabiler und sicherer. Hierfür bedarf es eher kleinerer und damit dezentraler Elektrolyseure (ca. 5 Megawatt), da solche Elektrolyseure flexibel auf eine fluktuierende Erzeugung aus Wind und Solar und Steuersignale der Verteilnetzbetreiber reagieren können.
Energiesouveränität sichert unsere Zukunft UND unseren Wohlstand
Damit Deutschland und Europa unabhängig von Energieimporten werden können, müssen wir in die Energiesouveränität investieren. Dies erreichen wir nur durch einen Ausbau der Energieerzeugung aus Wind und Sonne sowie der Energiespeicherung in Batterien (zur kurzzeitigen Speicherung) und Wasserstoff (als Langzeitspeicher). Hierbei geht es nicht nur um die Reduzierung von CO2 und damit einer Verlangsamung der menschgemachten Klimaveränderung, es geht stärker denn je auch um den Schutz unserer Volkswirtschaft und damit um unser alle Zukunft und Wohlstand! Die Energiewende ist das beste Friedensprojekt auf der Welt, denn der Einsatz von Erneuerbaren Energien ist dezentral und partizipativ: [20] „Das die einzige Energieform, die niemandem gehört, wo auch keiner sagen kann, alles meins und damit erpresse ich euch, Wind und Sonne ist. Die gehören einfach niemandem und man muss sie nur auffangen.“ (Robert Habeck) [21] [22]
[1] https://dserver.bundestag.de/btp/20/20019.pdf
[2] https://www.deutschlandfunk.de/bundesfinanzminister-lindner-will-200-milliarden-euro-fuer-klimawende-bereitstellen-102.html
[3] https://www.next-kraftwerke.de/energie-blog/energiewende-friedensprojekt?s=03#:~:text=Claudia%20Kemfert%3A%20Ja%2C%20eindeutig.,Energien%20ist%20dezentral%20und%20partizipativ
[4] https://www.spiegel.de/wirtschaft/service/energiepreise-mit-waermedaemmung-gegen-wladimir-putin-und-gegen-die-inflation-kolumne-a-2737ae60-63f9-43fb-aedc-e74ead69e0c9
[5] https://www-spiegel-de.cdn.ampproject.org/c/s/www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/atomkonzerne-verweisen-auf-hohe-huerden-fuer-laufzeitverlaengerung-a-1ca69d07-b502-4c66-b999-ec3a22f9d905-amp
[6] https://gruene-dransfeld.de/energiewende/atomkraft-weder-co2-neutral-noch-guenstig-eine-erlaeuterung-zum-nein-danke/
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/WWER
[8] https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/ukraine-krieg-eu-ist-auch-von-russischem-uran-abhaengig-a-d9575895-93da-4274-a5e5-167f4d9d2f0f?s=03
[9] https://www.spektrum.de/video/thorium-reaktoren-sichere-energiequellen-der-zukunft/1557032
[10] https://www.100-gute-gruende.de/gruende/angriffsziel/?s=03
[11] https://nitromagazin.com/kein-wohlstand-ohne-klimaschutz/
[12] https://www.pv-magazine.de/2022/03/03/studie-gebaeudewaerme-bis-2035-komplett-ohne-oel-und-gas-machbar/?s=03
[13] https://www.pv-magazine.de/2022/03/03/photovoltaik-und-windkraft-erreichen-marktparitaet-auf-fast-allen-europaeischen-strommaerkten/
[14] https://www.next-kraftwerke.de/energie-blog/energiewende-friedensprojekt?s=03#:~:text=Claudia%20Kemfert%3A%20Ja%2C%20eindeutig.,Energien%20ist%20dezentral%20und%20partizipativ
[15] https://www.pv-magazine.de/2022/03/01/vehicle-to-grid-als-katalysator-fuer-energiewende-nutzen/
[16] https://efahrer.chip.de/news/nachgerechnet-in-so-vielen-umdrehungen-laedt-ein-windrad-ein-e-auto-voll_107215
[17] https://www.elektroauto-news.net/2020/wasserstoff-e-auto-e-fuels-batterieauto-beste-alternative
[18] https://emobicon.de/mobilitaet-warum-wasserstoff-und-e-fuel-keine-chance-haben/
[19] https://www.pv-magazine.de/2022/03/10/studie-sieht-volkswirtschaftliche-vorteil-durch-dezentrale-erzeugung-von-gruenem-wasserstoff/
[20] https://www.sonnenseite.com/de/zukunft/claudia-kemfert-nur-erneuerbare-energien-schaffen-frieden/
[21] https://mobile.twitter.com/KristinaFassler/status/1498387253311287303
[22] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2022-03/robert-habeck-usa-antrittsbesuch-erneuerbare-energien-energiesicherheit