Atomkraft? – Weder CO2-neutral noch günstig. Eine Erläuterung zum „Nein danke“.

Atomstrom ist viel zu teuer

Eine Kilowattstunde Atomstrom kostet – ohne die Kosten für die Lagerung des Atommülls einzurechnen – aktuell ca. 12 ct, während eine Kilowattstunde Solar- oder Windstrom gerade einmal 3 ct kostet, was nahezu identisch mit dem Preis von Kohlestrom und noch unter dem Preis von Strom aus einem Gaskraftwerk liegt. Rechnen wir – soweit das überhaupt möglich ist – Kosten für den Rückbau des Kraftwerks und die auch noch nicht geklärte Endlagerung des Atommülls ein, kommen wir für eine Kilowattstunde Atomstrom auf Kosten von 50 ct bis 1 EUR [3]. Dies ist ein Vielfaches der Kosten aller anderen Energiequellen.

Bedenkt man in dieser Rechnung, dass die Stromgestehungskosten (heißen wirklich so) [4] für Windenergie an Land in den letzten 20 Jahren um 39 Prozent gesunken sind, während die Kosten für Photovoltaik sogar um 82 Prozent (!!!!) gesunken sind und auch in den nächsten Jahren noch weiter sinken werden, so dass auch die Kohlekraftwerke inzwischen von Erneuerbaren Energien im Preis unterboten werden, ist Atomkraft schon heute nicht mehr wirtschaftlich [5].

Dazu kommt: Da die Atomkraftwerke in Deutschland in den kommenden Jahren ihre maximale Laufzeit von 40 Jahren erreichen und für einen Weiterbetrieb notwendige Investitionen sich auch aus Sicht der Betreiber nicht lohnen, müssten neue Atomkraftwerke über massive öffentliche Investitionen neu gebaut werden – siehe oben: Atomstrom ist viel zu teuer.

Atomstrom ist nicht klimaneutral

Leider wird häufig vergessen, dass in der Produktion von Atomstrom sehr viel CO2 entsteht, da Uran aufwendig abgebaut, angereichert und für sehr lange Zeit endgelagert werden muss. Das Öko-Institut errechnete, dass bei deutschen Atomkraftwerken 31 Gramm CO2 pro Kilowattstunde (kWh) Strom entstehen, in russischen sogar über 60 Gramm. [7]. Hier noch nicht eingerechnet sind kaum kalkulierbare CO2-Emissionen für die Lagerung [6], so dass Kernkraft im Gegensatz zu Erneuerbaren Energien leider nicht dazu beitragen kann, die CO2-Emissionen zu senken [8, 9].

Der Anteil der Atomkraft an der Stromerzeugung in Deutschland ist schon heute gering

Durch Atomkraft wurden in Deutschland in 2020 gerade einmal 12,5 % des Stroms bereitgestellt, wobei dieser Anteil bereits in den Jahren zuvor kontinuierlich gesunken ist (von 2015 bis 2019 lag der Anteil zwischen 15,8 % und 13,3 % [1]). Atomkraft hat also bereits jetzt nur einen sehr geringen Anteil an unserer Stromerzeugung.

Würden wir versuchen, den Anteil fossiler Energieträger an der Stromerzeugung auf null zu senken, während der Anteil Erneuerbarer Energien auf dem heutigen Stand bliebe, müssten wir den Anteil der Atomkraft vervierfachen – viermal (!) so viele Kernkraftwerke in Deutschland, wie wir aktuell haben.

Sicherlich muss diskutiert werden, wo und unter welchen Bedingungen Windräder sinnvoll und nachhaltig gebaut werden können – mir persönlich ist jedoch ein oder sind auch zehn Windräder in Sichtweite tausendmal lieber als der Blick auf ein Atomkraftwerk oder einen Tagebau bzw. meinen Ort einem Tagebau geopfert zu sehen. Letzteres kenne ich aus meiner Zeit in Aachen und Bonn noch sehr gut.

Warum werden in manchen Ländern noch neue Atomkraftwerke gebaut?

In größerem Umfang investieren heute nur noch Russland, China und Indien in Kernkraft [10, 11), so dass drei Viertel der aktuell geplanten Kernkraftwerke auf diese drei Länder entfallen. Hinzu kommen noch einige weitere Projekte z. B. in Ägypten, Usbekistan, der Türkei oder Bangladesch, die aber meist mit Unterstützung aus Russland oder China realisiert werden [12].

Dass einige Staaten weiterhin Atomkraftwerke in Betriebt nehmen, hat verschiedene Gründe. Zum einen dauert es von der Planung bis zu Inbetriebnahme eines Atomkraftwerkes meist zehn Jahre bis hin zu 20 Jahren. Die Verträge für die Kraftwerke, die in den nächsten Jahren noch in Betrieb gehen werden, wurden also zu einer Zeit geschlossen, als Atomstrom noch vergleichsweise wirtschaftlich zu verkaufen war, da noch kaum Strom und/oder noch teurer aus Erneuerbaren Energien erzeugt wurde und der (Irr-)Glaube an Kernenergie als vermeintlich CO2-neutrale Energiequelle noch vorhanden war.

Ein Beispiel ist der Neubau eines Atomkraftwerks durch den französischen Energiekonzern EDF in Großbritannien, das ursprünglich einmal 2025 in Betrieb gehen sollte [13]. Der Bau wurde durch den britischen Staat vorab mit 4-6 Mrd. Euro subventioniert und dem Betreiber darüber hinaus für einen Zeitraum von 35 Jahren ein Abnahmepreis für den produzierten Strom zugesichert, der in etwas dreimal (!) so hoch ist, wie der durchschnittliche Strompreis an der Strombörse [14].

Zum anderen geht häufig der Bau eines Kernkraftwerks mit strategischen Partnerschaften zweier Staaten einher, wie der Bau des Kernkraftwerks in Mersin/Türkei, dem ein Regierungsabkommen zwischen der Türkei und Russland zugrunde liegt. Die Fertigstellung ist für 2026 geplant, droht aber nun aufgrund von Unstimmigkeiten zwischen den Ländern zu scheitern [15]. Ein ähnliches Beispiel ist der geplante Bau von vier Kernkraftwerken in Ägypten, ebenfalls durch Russland, bei welchen heute schon klar ist, dass sie niemals wirtschaftlich betrieben werden können, da Solar- und Windenergie in Ägypten um ein Vielfaches günstiger erzeugt werden können [16].

Auch militärische Gründe spielen hier eine große Rolle, denn zivile und militärische Nutzung sind gerade im Bereich der Forschung und Entwicklung kaum voneinander zu trennen. Der Bau und Betrieb eines unwirtschaftlichen Kernkraftwerks können sich aus Sicht eines Landes so dennoch „lohnen“, wenn sich ein Mehrwert im militärischen Bereich ergibt und/oder Kosten aus dem militärischen in den zivilen Bereich der Kernenergie verschoben werden können [17].

Auf die insbesondere von Bill Gates vorangetriebene Diskussion um neue, kleine und modulare Kernkraftwerke sowie die Kernfusion möchte ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen, da diese Technologien noch ganz am Anfang stehen, so dass konkretere Ergebnisse nicht vor 2035 erwartet werden. Ob sie trotz weiterhin stark sinkender Stromgestehungskosten bei Erneuerbaren Energien tatsächlich irgendwann im größeren Umfang wirtschaftlich Strom liefern können und wie ökologisch sie sein können, bleibt abzuwarten. Eine kurzfristige Lösung können sie jedoch nicht bieten.

  • Wir sollten daher den Erneuerbaren Energien – und insbesondere der Windkraft hier in unserer Region – eine Chance geben! Wenn wir in 20 oder 30 Jahren feststellen sollten, dass es andere Lösungen gibt, um Strom klimaneutral zu produzieren und Windkraft nur eine Brückentechnologie war, dann lassen sich Windräder wieder abbauen und recyceln.
  • Demgegenüber bedeutet schon der Abbau von fossilen Energieträgern wie Kohle, Gas und Öl im Gegensatz zur Installation von Windkraft unwiderrufliche Eingriffe in Landschaft, Natur und Umwelt.
  • Atomkraft ist weder eine klimafreundliche noch eine wirtschaftliche Alternative zu Erneuerbaren Energien. Die Kosten und das Risiko des Betriebs und der Lagerung des Atommülls gehen zu Lasten der uns folgenden Generationen.
  • Um die Auswirkungen des durch uns verursachten Klimawandels noch auf ein beherrschbares Maß zu begrenzen zu können, haben wir mit dem Ausbau Erneuerbarer Energien die historisch einmalige Chance und Pflicht, heute aktiv etwas für unsere Kinder und Enkelkinder zu tun – und nicht gegen sie.

Wer mal selbst nachlesen möchte – hier die Quellen:

[1] https://energy-charts.info/charts/energy_pie/chart.htm?l=de&c=DE&year=2020

[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Stromgestehungskosten

[3] https://medienportal.siemens-stiftung.org/de/stromgestehungskosten-fossil-regenerativ-im-vergleich-109177

[4] https://www.energiezukunft.eu/wirtschaft/preise-von-erneuerbaren-energien-im-sinkflug/

[5] https://www.quarks.de/technik/energie/atomkraftwerke-fuer-den-klimaschutz/

[6] https://www.umweltbundesamt.de/service/uba-fragen/ist-atomstrom-wirklich-co2-frei

[7] https://www.focus.de/wissen/klima/tid-13427/atomkraft-die-co2-luege_aid_372528.html

[8] https://www.br.de/nachrichten/wissen/kernkraft-kein-mittel-gegen-klimawandel,SCGCuiV

[9] http://www.umweltinstitut.org/themen/energie-und-klima/atomkraft-ist-kein-klimaretter.html

[10] https://www.iwr.de/news/atomenergie-weltweit-bisher-zwei-neue-atomkraftwerke-im-jahr-2020-news36957

[11] https://www.diw.de/de/diw_01.c.742581.de/publikationen/wochenberichte/2020_11_1/ atomkraft_international__ausbauplaene_von_newcomer-laendern_vernachlaessigbar.html

[12] https://www.klimareporter.de/strom/die-zwei-welten-der-atomenergie

[13] https://www.wiwo.de/hinkley-point-c-neues-atomkraftwerk-wird-zum-milliardengrab/20014598.html

[14] https://de.wikipedia.org/wiki/Stromb%C3%B6rse

[15] https://www.focus.de/finanzen/news/putin-besuch-in-der-tuerkei-zeichen-der-annaeherung-mit-tuerkei-russland-baut-mega-akw-fuer-erdogan_id_8706593.html

[16] https://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/aegypten-plant-erstes-akw-mit-hilfe-russlands-a-1017753.html

[17] https://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Atomenergie/informationsblatt_atomenergie.pdf