Erkennen und Anerkennen

ein Gastbeitrag von Mario Müller

erschienen in den Dransfelder Informationen, Ausgabe August 2021

Beim Durchstreifen ländlicher Regionen treffe ich immer wieder Mal auf große Plakate auf denen örtliche Gruppierungen ihren Unmut über den weiteren Ausbau der Windenergie in ihrer Region zum Ausdruck bringen. Auch das Umland von Dransfeld wird betroffen sein. Im regionalen Raumordnungsprogramm 2020 sind diese Windvorranggebiete genannt. Herr Bernd Gosch überschlug in seinem Leserbrief in der DI vom April eine „vorsichtige Schätzung von bis zu 30 neuen Anlagen“. Er brachte ebenfalls zum Ausdruck, dass in ihrer Nähe wohnende Menschen von drehenden Rotoren und nachts ständig blinkenden Lichtern drangsaliert werden. Ich selbst bin bisher nie davon betroffen gewesen, in der Nähe einer Windkraftanlage wohnen zu müssen. (Ein persönlicher Erfahrungsbericht einer betroffenen Person würde mich sehr interessieren). Allenfalls komme ich beim Dauerlauf, Spaziergang oder auf Radtour an solch einer Anlage vorbei. Eine Augenweide sind sie nun wahrlich nicht. Die Landschaft, in die sie sich nahtlos einfügen könnten, gibt es wohl nicht. Nach einer gewissen Zeit findet beim Anblick dieser sich ewig drehenden Rotoren eher eine Art Gewöhnung statt. Und das verständlicherweise um so eher, je größer das Verständnis, bzw. die Einsicht in die Notwendigkeit vom Ausbau der Windenergie ist.

Im gleichen Zuge mit der Ablehnung von Windkraftanlagen taucht tatsächlich auch immer häufiger der Ruf nach einem „Wiedereinstieg“ in die doch so klimaneutrale Kernernergie statt. Das wiederum verstehe ich überhaupt nicht. Wie kann denn eine Technologie zu Rate gezogen werden, deren

  • Flächenverbrauch, Grundwasser- u. Oberfächenwasserbelastungen (Erzgewinnung; radioaktive Abraumhalden),
  • Müllgenerierung (bis zu eine Millionen Jahre zu lagernde hochradioaktiv strahlende Materialien) und
  • Gefährlichkeit (Majak, Windscale, Harrisburg, Church Rock, Tschernobyl, Fukushima, womit nur die außer Kontrolle geratenen Unfälle genannt sind, die sich nicht verheimlichen ließen)

spätere Generationen in einem solch unüberschaubaren Ausmaß belasten. Und dass Strom aus Atomkraft bei Weitem nicht klimaneutral produziert werden kann, wurde in der Maiausgabe der DI in einem Artikel der grünen Ortsfraktion deutlich dargelegt.

Es muss der Auftrag jetzt lebender Generationen sein, unseren teils rücksichtslos verschwenderischen Umgang mit Ressourcen zu erkennen und die eigene Verantwortung an dieser Art von Wohlstandsgebaren anzuerkennen, bzw. anzunehmen. Dass wir uns in einer Situation befinden, in der wir uns in Angesicht drohender Klimakatastrophen nun vor der Wahl zwischen kleinerem und größerem Übel befinden, liegt letztendlich an fehlenden politischen Einsichten und Weichenstellungen der letzten Jahrzehnte

Das Festhalten an der bestehenden Wachstumsdoktrin führt uns augenscheinlich in eine Sackgasse, in der Handeln bald nur noch Katastrophenbewältigung sein wird. Die Armutsbekämpfung in der Welt mit einer ständig weiter anzuheizenden Spirale von materiellen Wohlstand zu rechtfertigen, ist dabei eine Ursache. Ganz nach dem Motto: Je größer der Kuchen, desto mehr Menschen können ein Stück davon bekommen.

Bei der Erstellung von materiellen Wohlstand bedienen wir uns Technologien, die wir zum Teil nicht beherrschen, bzw. die uns mit ihren „Vermächtnissen“ in der Zukunft unserer natürlichen Lebensgrundlagen berauben. Diese Art Wohlstandsgenerierung konnte in der Vergangenheit nicht zur Erhöhung der Lebensqualität aller Menschen führen und wird es auch in Zukunft nicht können. Die Argumentation, dass die Armut weltweit zurückgeht, weil immer mehr Menschen an wachsenden Märkten konsumieren können, wird dabei besonders gerne von denen genannt, die ihren persönlichen Wohlstand ständig weiter mehren wollen. Tatsächlich sind reiche Regionen/Leute immer reicher und arme Regionen/Leute im Verhältnis immer ärmer geworden. Nicht mehr unter der Armutsgrenze zu Leben bedeutet noch nicht, einen gesicherten und gesunden Lebenstandard erreicht zu haben. Es bedeutet lediglich an den „Märkten der Reichen“ in begrenztem Ausmaß teilhaben zu können.

Zum Wohlstand gehören auch saubere Luft zum Atmen und sauberes Wasser zum Trinken. Dies allen Menschen auf der Erde und auch zukünftigen Generationen zu ermöglichen, muss ein Maß unseres Handelns werden.

Wenn wir immer nur reagieren, wenn es unseren persönlichen Lebensstandard bedroht, wenn wir als natürliche Wesen keine Bindung zu unseren natürlichen Lebensgrundlagen verspüren, wenn wir keine Empathie für Menschen empfinden, die aufgrund klimatischer Veränderungen in Flucht und Kriege gedrängt werden, dann können wir notwendige Veränderungen nicht unterstützen. Uns würde die Einsicht und die Kraft neue Wege zu gehen fehlen.

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